Berlin (D): Organo con Stromenti

28. Juni 2025
15:30

28.06.2025
SONNABEND
15.30 Uhr · Großer Saal
PETER KOFLER Orgel
DOROTHEE OBERLINGER Blockflöte

ORGANO CONSTROMENTI

JOHANN SEBASTIAN BACH (1685 –1750)
Sinfonia zur Kantate „Wir danken dir, Gott, wir danken dir“
BWV 29, für Orgel bearbeitet von Harald Feller

HILDEGARD VON BINGEN (1098 –1179)
„O Ecclesia“ – Sequenz auf die hl. Ursula

DOROTHÉE HAHNE (*1966)
„Commentari 3“ für Blockflöten und Elektronik
(2000, Dorothee Oberlinger gewidmet)

HENRY PURCELL (1659 –1695)
A Ground in d

JAMES OSWALD (1710 –1795)
„The Reel of Tulloch“

OLIVIER MESSIAEN (1908 –1992)
„Transports de joie“ (3. Satz aus „L’Ascension“ für Orgel)

LUCIANO BERIO (1925 – 2003)
„Gesti“ für Blockflöte solo (1966)

JOHANN SEBASTIAN BACH
2. Satz (Largo) aus der Sonate für Orgel C-Dur BWV 529

FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809 –1847)
„Variations sérieuses“ d-Moll op. 54, für Orgel bearbeitet
von Martin Schmeding

ANTONIO VIVALDI (1678 –1741)
Konzert für Flautino, Streicher und Basso continuo
C-Dur RV 443, bearbeitet für Piccolo-Blockflöte und Orgel
Allegro – Largo – Allegro molto

ZUM PROGRAMM

Blockflöte und Orgel sind Wahlverwandte, denn die Orgel in ihrer technischen Ausstat-
tung ist eigentlich nichts anderes als eine „Maschine“, die Hunderte, ja Tausende Ein-
zeltonpfeifen à la Blockflöte zum einem gewaltigen Klangwerkzeug zusammenfasst.
Doch hat die Blockflöte gegenüber der Orgel durchaus einige Vorteile aufzuweisen: Ihr
durch „lebendigen Wind“ erzeugter Klang ist vielgestaltiger und nuancenreicher als
der starre Orgelton. Und was dem kleinen Instrument an Virtuosität abverlangt wer-
den kann, versetzt die Zuhörer in schieres Staunen! (Doch wird der Organist in den
Solowerken von Bach, Mendelssohn oder Messiaen zu seinem Recht kommen …)
Mit diesem Programm laden Dorothee Oberlinger und Peter Kofler ein zu einer gemein-
samen Reise durch die Jahrhunderte und Regionen – vom Mittelalter bis zur Avantgarde,
von den britischen Inseln über Deutschland Ost und West bis zur venezianischen Lagune.

ALTENGLISCHE MUSIK VON PURCELL UND OSWALD
So kurz Purcells Leben nur währen sollte, so steil gestaltete sich seine künstlerische
Karriere, die sich gleichsam im Zeitraffer abspielen sollte. 1679 wurde der gerade
20-jährige Meister auf das Organistenamt an Westminster Abbey berufen, 1682 außer-
dem zu einem der Organisten der Chapel Royal ernannt. 1683 wurde ihm zusätzlich das
Amt des königlichen Instrumentenverwalters übertragen.
Mit Henry Purcell schließt die Blütezeit der altenglischen Instrumentalmusik. Auch
danach konnte man auf der Insel hochkarätige Künstler erleben, doch kamen diese
zumeist vom europäischen Festland, angelockt von den traumhaften Einkünften, die
der wirtschaftliche Boom auf der Insel ermöglichte. Die einheimischen Künstler hatten
einen schweren Stand und mussten sich der neuen Situation anpassen – so der aus
Schottland stammende James Oswald, der in Personalunion als Instrumentalvirtuose
(Cellist), Komponist und Musikverleger wirkte und dessen Kompositionen sich auch
noch in seinen Londoner Jahren von der Folklore seiner schottischen Heimat beein-
flusst zeigten.

ORGELWERKE VON BACH UND MENDELSSOHN
Zum Ratswechsel 1731 führte Bach am 27. August 1731 die Kantate „Wir danken dir,
Gott, wir danken dir“ auf, deren Text im himmlischen Zion das irdische Leipzig in
höchsten Tönen preist. Als Sinfonia eröffnet ein prächtiger Konzertsatz für Solo-Orgel
mit dem vollen Festorchester das Werk – Bach griff hier auf das Präludium der 1720 in
Köthen entstandenen Partita E-Dur für Solo-Violine zurück, das er den Anforderungen
der neuen Besetzung gemäß arrangierte.
Mendelssohns „Variations serieuses“ d-Moll op. 54, die in einer Orgelübertragung von
Martin Schmeding erklingen, aus dem Jahre 1841 fassen Erfahrungen der Bach- und
Beethoven-Studien mit souveräner Hand zusammen. Mendelssohn gelang mit diesen
Variationen ein Meisterwerk, das durch seine Eigentümlichkeit und seinen Ausdrucks-
reichtum den Hörer die stilistischen Quellen vergessen lässt.
BLOCKFLÖTENMUSIK VON LUCIANO BERIO …

Mit den Blockflötenstücken von Luciano Berio und Dorothée Hahne gibt uns Dorothee
Oberlinger einen Einblick in die Musik der Avantgarde für ihr Instrument. Auch wenn
Luciano Berios „Gesti“ bereits fast 60 Jahre alt ist, hat das Stück in dem breiten Spek­trum
der Tonbildung – von verschiedensten Anblasgeräuschen bis zum Sprechen – nichts von
seiner Modernität eingebüßt.

… UND DOROTHÉE HAHNE
Einen ganz anderen Weg beschreiten die „Commentari 3“ der 1966 in Bonn geborenen
Komponistin Dorothée Hahne: Das Spiel der Solistin wurde im Studio aufgenommen und dann
als Playback eingespielt*. So entsteht mit diesen Überlagerungen ein
musikalisches Verwirrspiel, das den Hörer immer wieder fasziniert und verzaubert.

SPIRITUELLES VON HILDEGARD VON BINGEN …
Neben den in dem geistlichen Drama „Ordo Virtutem“ enthaltenen Gesängen sind von
Hildegard von Bingen insgesamt 75 Kompositionen in Text und Musik erhalten, zumeist
für den Gebrauch im eigenen Kloster oder aber als Gelegenheitswerke für andere Abteien
entstanden. Folgen diese Kompositionen zwar in der Form (als Hymnen, Antiphonen
oder Sequenzen) durchaus den Üblichkeiten des gregorianischen Repertoires, so ist
doch ihre konkrete Gestalt ebenso ungewöhnlich und vorbildlos wie Hildegards Theo­
logie oder Naturheilkunde: Ihr großer Ambitus (mitunter 2 bis 2 1⁄2 Oktaven) sprengt
alles vorher Bekannte, auffällig auch das ambivalente Verhältnis zu den traditionellen
Kirchentönen.

… UND OLIVIER MESSIAEN
„Eine Musik, die einwiegt und singt“, wollte er komponieren, „die neues Blut ist, spre-
chende Gebärde, ein unbekannter Duft, ein Vogel ohne Schlaf.“ Den zentralen Festen
des Kirchenjahres widmete Messiaen jeweils einen gewichtigen Zyklus meditativer
Stücke für Orgel, in die auch die Erfahrungen seines gottesdienstlichen Improvisierens
in vielfältiger Weise Eingang fanden. In dem bereits 1934 entstandenen Himmelfahrts-­
Zyklus bilden zwei Adagios den Rahmen und umschließen zwei bewegte Sätze, deren
erster in verklärter, ja verzückter Bewegung geführt wird, während der 3. Satz – als
„Ausbruch von Freude“ – als rasante Toccata gestaltet ist.

GROSSES FINALE: ANTONIO VIVALDI
Mit dem Finale unseres Konzertprogramms holt uns Antonio Vivaldi wieder zurück auf
die Erde. Sein Konzert für Flautino, Streicher und Basso continuo (im heutigen Konzert
übernimmt der Organist den vollständigen Orchesterpart) ist konventionell wie 400
andere der insgesamt ca. 600 Konzerte Vivaldis gearbeitet – aber welche Brillanz und
Virtuosität breitet die Solistin vor dem staunenden Publikum aus!
IM PORTRÄT

PETER KOFLER
1979 in Bozen (Südtirol/Italien) geboren. Erste musikalische Ausbildung am Konserva-
torium seiner Heimatstadt. Studienfortsetzung an der Hochschule für Musik und Thea-
ter München, unter anderem bei Harald Feller (Orgel) und Christine Schornsheim
(Cembalo). Umfangreiche internationale Konzerttätigkeit, unter anderem mit Dirigen-
ten wie Simon Rattle, Franz Welser-Möst, Riccardo Musik oder Thomas Hengelbrock.
Gründungsmitglied und Cembalist des Barockorchesters „L’Accademia Giocosa“. Als
Solist und Kammermusikpartner Zusammenarbeit mit Künstlern wie Anne-Sophie
Mutter, Lisa Batiashvili, Anna Prohaska, Michael Volle, Dmitri Sitkovestky oder Gábor
Tarkövi. Orgelkonzerte in der Pariser Kathedrale Notre-Dame, im Berliner Dom, im
Wiener Stephansdom, in der Dresdner Frauenkirche oder in der Elbphilharmonie
Hamburg. Seit 2008 als Organist an der Münchner Jesuitenkirche St. Michael tätig, hier
auch Initiator und Künstlerischer Leiter des Festivals „Münchner Orgelherbst“. Dozent
für Orgel und Chorleitung an der Münchner Hochschule für Musik und Theater. Zahl-
reiche Einspielungen für Rundfunk und CD, u.a. eine Gesamtaufnahme der Orgelwerke
Johann Sebastian Bachs an der Rieger-Orgel der Jesuitenkirche St. Michael.

DOROTHEE OBERLINGER
Geboren in Aachen und aufgewachsen in Simmern (Hunsrück). Studium an der Universität
Köln (Schulmusik, Germanistik), anschließend Blockflötenstudium in Köln, Amsterdam
und Mailand, unter anderem bei Günther Höller, Walter van Hauwe und Pedro Memels-
dorff. 1997 1. Preis beim Internationalen Moeck-Wettbewerb in London, 1998 Solistendebüt
an der Londoner Wigmore Hall. Internationale Konzerttätigkeit als Solistin und Kammer-
musikerin. Umfangreiches Repertoire vom Mittelalter bis zur Avantgarde. Zusammenar-
beit mit Ensembles wie der Akademie für Alte Musik Berlin, den Sonatori de la Gioiosa
Marca, Musica Antiqua Köln, L’Arte del mondo oder Academy of Ancient Music. Mehrere
ihrer zahlreichen CD-Einspielungen wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet,
unter anderem mehrmals mit dem ECHO Klassik bzw. OPUS Klassik. Inzwischen wurde sie
auch mehrfach zu Operndirigaten eingeladen (Händel, Bononcini, Telemann u.a.) und
stand am Pult bedeutender Orchester wie den Wuppertaler Symphonikern, dem Beetho-
venorchester Bonn oder der Dresdner Philharmonie. Seit 2004 Professur am Salzburger
Mozarteum. In den Jahren 2008–18 leitete sie außerdem das dortige Institut für Alte Musik.
Seit 2009 ist sie Intendantin der Arolser Barockfestspiele. seit 2018 außerdem Intendantin
der Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci. Ehrenbürgerin ihrer Heimatstadt Simmern.

*Textkorrektur – Originalprogramm -> PDF – Download