27. Juli 2024 | ||
17:05 |
Arnold Schönberg (1874–1951) „Verklärte Nacht“, Dorothée Hahne “RestZeit” für 5saitige E-Violine & Live-Elektronik u.a.
Die geniale Vertonung eines aus heutiger Perspektive problematischen Textes wird zum Zentrum eines wiederum außergewöhnlichen Eröffnungskonzertes in Hitzacker. Arnold Schönbergs Sextett „Verklärte Nacht“, ein Wunder an spätromantischer Gratwanderung in Sachen Harmonik, soll eine Neuauflage mit Widerhaken und Werkbezügen erfahren, wenn die preisgekrönte Berliner Schauspielerin Anna Thalbach rezitiert und das durch zwei Jungstars erweiterte Kuss Quartett musiziert.
Das vollständige Festivalprogramm finden Sie hier.
Kuss Quartett, Sào Soulez Larivière – Viola, Julia Hagen – Violoncello, Anna Thalbach – Rezitation
Wir Welt!
Heute wären sie Popstars, einzeln und gemeinsam. Ida Dehmel (1870- 1942) als Kuratorin, feministische Kulturpolitikerin und Influencerin in Sachen Lifestyle; ihr Mann Richard Dehmel (1863 – 1920) als Erfolgsautor, Mentor und Förderer junge Künstler*innen, mit großer Leidenschaft für Musik, die Schönheit überhaupt und die Elblandschaften vor Hamburg. Der junge Arnold Schönberg – einer der leidenschaftlichsten Dehmel-Verehrer seiner Generation – setzte mit „Verklärte Nacht“ dessen gleichnamiges Gedicht in Töne.
Die Dehmels leben eine neue „Freiheit“ in der Kunst, im Privaten und in der Gesellschaft. Sie definieren das traditionelle Paar als autonome „Wir Welt“, frei sich suchende Partner, gerade auch in der Wahl ihres erotischen Pendants. Richard geht zwar mit „Hurra“ in den Ersten Weltkrieg, kehrt dann als Pazifist zurück, propagiert das Völkerrecht und dass die Politik besser in den Händen von Frauen läge. Ida gründet den Hamburger Frauenclub zur Überwindung des „Kastendenkens“ unter den Damen der Gesellschaft, sowie die GEDOK, das älteste und europaweit größte Netzwerk für Künstlerinnen vieler Disziplinen. Sie überlebt ihren Mann und lebt allein im „Dehmel-Haus“ in Blankenese, bis sie ihrem Leben 1942 selbst ein Ende setzt.
Die Beschäftigung mit „den Dehmels“ öffnete einen unerwarteten musikalischen und literarischen Resonanzraum. So offenbarte sich Alban Bergs Streichquartett „Lyrische Suite“ posthum als verklausulierten, vielfältig mit den Initialen AB und HF spielenden Liebesgruß an seine lebenslag geheim gehaltene Beziehung mit Hanna Fuchs. Ganz im Geist von Ida Dehmels Kampf für ihre künstlerischen Geschlechtsgenossinnen sind die Komponistinnen Rebecca Saunders und Dorothée Hahne im Programm vertreten. Hugo Wolfs innigstes „Gebet“ fordert den Widerspruch des „Dirty Old Man” Charles Bukowski heraus. Idas Hochzeitskleid evoziert Madonnas „Vogue“ und ihre gewitzten Briefe verbünden sich mit Dagrun Hintzes Gedichten aus dem Lyrikband „Einvernehmlicher Sex“.
Datum: 27. Juli 2024 17:05 Uhr
Ort: VERDO Kultur- & Tagungszentrum Hitzacker (Elbe)
Dr.-Helmut-Meyer-Weg 1, 29456 Hitzacker (Elbe)