Im Jahr 2001 hörte ich erstmals davon, daß die NASA ein Künstler-Stipendium auf der ISS vergeben möchte. Erst 2006 gab es in einem Zeit-Artikel Neuigkeiten zum Thema und die Tatsache das Laurie Anderson, die mich seit frühesten Zeiten mit Ihren live-elektronischen Performances beeindruckt hat, von der NASA als “Composer in Residence” auserkoren wurde, machte mich nochmal extra neugierig. Mit dieser Vorgeschichte ist mir der Auftrag der Duisburger Philharmoniker mich mit Weltansichten auseinanderzusetzten eine besondere Freude.
Der menschliche Blick aus dem Orbit und Weltraum auf die Erde öffnet auf geistiger Ebene noch mal einen ganz neuen Kosmos: Die Erfahrung des Selber-ein-Anteil-sein an diesem so unfassbar Großen, das wiederum scheinbar ein kleiner Teil eines noch viel Größeren ist, ist unter Umständen die gravierendste Erkenntnis, die die Menschheit aus der Raumfahrt gewinnen kann. Inzwischen gibt es Teleskope wie z.b. Hubble, mit denen Millionen von Lichtjahren weit in den Weltraum hineingesehen werden kann. Bemerkenswerter Weise haben wir wundersame Schönheit, aber noch nichts entdeckt, daß der Erde gleich oder ähnlich ist. Die Regel bestätigendenden Ausnahmen sind der Erde um ein paar Millionen Jahre Entwicklung hinterher und/oder so weit entfernt, daß Sie beim technischen Stand aus heutiger Sicht unerreichbar scheinen. Fakt ist und bleibt: bis jetzt haben wir noch nichts im Weltall entdeckt, wo unsereins überleben kann, aber die Suche danach hat uns eine perfekte fast notwendige Lösung beschert: Wir alle und die Erde inmitten des unendlichen Weltraums sind Wunderwerke der Schöpfung, Schönheit und Vergänglichkeit. Und die Erde ist der ideale Planet für uns. Sie ist perfekt und genau so genial gemacht, daß sie dank der Systematik von Vielfalt und Evolution die Heimat für über 7 Milliarden Menschen und unzählig viel andere Lebensarten ist. Es war nicht geplant in den Weltraum zu fliegen, um auf die Erde zurückzusehen, aber das, was dieser Overview bewirkt, ist das, was die Menschen am stärksten in Ihrer Perspektive auf die Welt und im Glauben, Denken und Handeln verwandeln kann.
Die Wahrnehmung des unmittelbaren Verbundenseins mit aller Größe, Schönheit und Vergänglichkeit, die Astronauten schockartig, berauschend bis abgrundtief erschütternd beim Anblick der Erde aus dem Weltall und Orbit erleben, wird in der Psychologie der „Overview-Effekt“ genannt. Die Astronauten, die dieses Erlebnis teilen, haben sich in der „Association of Space Explorers“ zusammengeschlossen, die sich jährlich treffen (zuletzt Anfang Juli 2013 in Köln), um die Wertschätzung und Vermittlung dieser Erkenntnis weiter voranzubringen.
Der Begriff „Overview-Effekt“ wurde maßgeblich von Frank White mit seinem 1987 erschienenen gleichnamigen Buch geprägt. Der Ende 2012 veröffentlichte gleichnamige Film (s.o. Originalfassung mit deutschen Untertiteln), in dem White neben zahlreichen Astronauten zu Wort kommt bietet einen faszinierenden Einstieg in das Thema. Erst vor kurzem hat die Sonde Voyager 1 als erstes von Menschen geschaffene Objekt unser Sonnensystem verlassen. 1990 sendete die Sonde aus 6,4 Milliarden Kilometern Entfernung Bilder, auf denen die Erde nur noch als blauer Punkt sichtbar ist. Bei meiner Einladung zum #Socialspace 2013 zum Tag der Luft und Raumfahrt in Köln wurde auch die nächste ISS-Mission mit dem Europäischen Astronauten (Deutscher Nationalität) Alexander Gerst vorgestellt, mit genau diesem Thema und dem dazu passenden Logo: “The Blue Dot” Auf die Frage aus dem Publikum, worauf er sich am meisten bei der Mission freue, antwortete Gerst spontan: “Auf den Blick zurück zur Erde!” Die ESA hat offensichtlich und zweifelsfrei die beste Wahl getroffen!
Am schönsten ist das Zitat aus dem Film “Als wir zum Mond aufbrachen dachten wir nicht daran, dass der Blick zurück zur Erde zum eigentlichen Sinn dieser Mission wurde.”
http://weird-life.com/news/psychologie/der-overview-effekt/
Alexanderhat übrigens im aktuellen Zeit Artikel von seinem Overview Effekt erzählt: