Aurich: Hahnes zeitgenössische „Commentari III“ faszinieren | 05.08.2017

Gezeitenkonzert

Knallbunte Quer-Beet-Musik

von Horst Hollmann

Dangast Zwanzig Sorten Sommerblumen! Das ist eine populäre Tütchenmischung von Sämereien. Garten-Puristen ziehen geringschätzig die Augenbrauen hoch. Freunde ungezügelten Blühens genießen knallbunte Beete. Es gibt eine musikalische Variante: Zwölf Sorten Komponistenmischung! Die einen reiben sich befremdet die Ohren. Die anderen genießen die Überraschungen der Vielfalt. Im Alten Kurhaus in Dangast sind das nicht wenige. Der Saal ist beim traditionellen Gastspiel der ostfriesischen Gezeitenkonzerte traditionell ausverkauft. Mit der Begeisterung über den herrlichen Quer-durch-den-musikalischen-Blumengarten-Abend hält niemand hinter dem Berg.

Vier junge Musikerinnen und Musiker sind eingesprungen: Sophia Schambeck (Blockflöten), Matthias Well (Violine), Maria Well (Cello) und Daniel Seng (Klavier). Sie ersetzen das Bläserquintett „quast“, dessen Oboistin erkrankt ist.

Ihr Programm hat bei aller Lockerheit der Zusammenstellung Gewicht. Da steht Johan Halvorsens wuchtige Passacaglia neben Reinhold Glières folkloristischen „Huit Morceaux“, Jacob van Eycks lautmalerische „Engels Nachtegaeltje“ neben Maurice Ravels Violin-Reißer „Tzigane“. Zudem stellen Zoltan Kodalys Streicher-Duo technische oder Franz Schuberts Impromptus gestalterische Anforderungen.

Von 1644 bis 2011 spannt sich der zeitliche Bogen. Gerade Dorothee Hahnes zeitgenössische „Commentari III“ für Flöten und Tonband faszinieren, wenn sich in die getupften und hüpfenden Zweiunddreißigstel bedrohliches Hubschrauber-Brummen einschleicht.

Es sind vier grandiose Gärtner am Werk. Flötistin Schambeck bringt von kontrollierter Atemführung über hohe Virtuosität bis zum geschmeidigen Verbinden der Phrasen alles mit, was heute wieder am Blockflötenspiel fasziniert.

Die eher zierliche Cellistin Weller kann wie ein Kraftpaket zulangen und entwickelt ein Vibrato, das fast elektrisch aufgeladen ist. Bruder Matthias wahrt auf der Violine bei allem klanglichen Raffinement eine wohltuende geschmackliche Distanz. Pianist Seng folgt sehr zielstrebig den inneren Bezügen bei Schubert und Chopin. Zudem schätzen ihn die Mitspieler spürbar als sicher stützenden Begleiter.

Der Beifalls-Anteil pro Spielzeit fällt hoch aus. Sechs Minuten Chopin: Riesiger Beifall. Zehn Minuten Vivaldi: Bravos. Vier Minuten Schulhoff: Jubel. Fünf Minuten Ungarisches: Ovationen. „Wir wollten unbedingt mal in Dangast spuiln“, sagt die Münchnerin Maria Well bayrisch und augenzwinkernd, „es fehlte uns einfach“. Das hat sich für die Vier dann unbedingt gelohnt.

Quelle: NWZ Online

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